An die Redaktion des Neuen Tag
zum Artikel Krankenhäuser in Tirschenreuth und Kemnath (Sa,4.2.2024)
„...zu schön, um wahr zu sein“
Als ehemalige Chefärztin der Abteilung für Anästhesiologie und Intensivmedizin am Krankenhaus Tirschenreuth sehe ich mich veranlasst, die anscheinend vielversprechenden Aussagen unseres Landrats und des Pressesprechers der KNO-AG näher zu betrachten.
Es ergibt sich Folgendes:
Für das KH TIRSCHENREUTH ist die aktive Sterbehilfe schon seit längerem eingeläutet. Der chirurgische Chefarzt in Tirschenreuth erschien der AG entbehrlich und wurde eingespart. „Chirurgische Mitversorgung“ aus Weiden hieß die fatale, aber kostensparende Lösung. Größere Operationen wurden nur noch in Weiden durchgeführt, Patienten entsprechend umgeleitet. Grund für die sinkende Rentabilität des Tirschenreuther Hauses ist nicht die mit Millionen Steuergeldern modernisierte Einrichtung, sondern neben der sattsam bekannten, politisch gewollten Unterfinanzierung der fortschreitende Personalentzug und -abbau, der das Haus buchstäblich „verwahrlosen“ ließ. Z. B. Soll die Station 201 durch die Tirschenreuther Kräfte wiederbelebt werden.
Wer oder was bleibt in Tirschenreuth?
Die 30-Bettenstation für internistische Alterspatienten ist nur ein Feigenblatt, das solange vorgehalten wird, bis der Umzug der geriatrischen Reha aus Erbendorf abgeschlossen sein wird.
Eine Abteilungsstruktur für diese „Restbetten“ erkenne ich nicht. Die im Hause befindliche moderne medizinisch-technische Ausrüstung kann ohne Funktionsdienst nicht genutzt werden. Dieses Funktionspersonal sitzt aber in Weiden und müsste erst „eingeflogen“ werden.
Es ist nicht anzunehmen, daß Patienten mit dringend behandlungsbedürftigen Verletzungen hier gut aufgehoben sein werden. Vielleicht denkt man eher an „Langlieger“, die mit multiresistenten Keimen infiziert sind oder andere Problempatienten?
Frühestens für das Jahr 2026 rechnet man mit der Krankenhausreform von Minister Lauterbach (?). Die Krankenhausreform der KNO-AG ist schneller.
Am 1.April.2024 wird das ehemalige Kreiskrankenhaus Tirschenreuth für tot erklärt werden. Todesursache: Auszehrung, Herzversagen.
Mit Sicherheit kann ausgeschlossen werden, daß die „bösen Notärzte“ daran schuld sind.
Ebenso unerfreulich wird sich die NOTFALLVERSORGUNG in Tirschenreuth entwickeln.
Knapp 8 Wochen vor der Schließung der Notaufnahme des Krankenhauses und geschlagene 7 Monate nach der Beschlussfassung weiß man bei der KNO-AG immer noch nicht (oder sagt nicht), wie die Notfallversorgung künftig aussehen soll. Es erstaunt, denn dazu gibt es explizite Vorgaben des G-BA (Gemeinsamer Bundesausschuß der Ärzte, Zahnärzte, Psychotherapeuten, Krankenkassen und Krankenhäuser), der sich auf mehrere Versorgungsstufen für Notfallpatienten geeinigt hat. Die unterste Stufe dieser Versorgung, die sog. BASISNOTFALLVERSORGUNG. Diese wird z. Z. noch am KH Tirschenreuth erbracht und wird am 31.3.2024 beendet sein. Der KNO-Führung ist diese Basisversorgung zu teuer.Sie kreiert eine noch niedrigere Stufe extra für die Tirschenreuther und nennt das Konstrukt NOTFALLPRAXIS. Die Basisversorgung will sie ihrer Aussage nach „weiter verfolgen“ (...auch erreichen?).
Eine Notfallpraxis ist nichts anderes als eine normale Praxis mit erweiterten Sprechzeiten und ohne Voranmeldung. Sie gehört ebenso wie das erwähnte MVZ (Medizinisches Versorgungszentrum) in den Bereich der niedergelassenen Ärzte. Wissen die überhaupt von ihrem Glück?
Die versprochene Million des Landrats steht im Raum. Die Führung der KNO-AG ist erleichtert, keinen „Hintergrunddienst“ mehr zu brauchen, erklärt aber nicht, welche Ärzte in dieser „Notfallpraxis ohne Facharztstandart“ eigenverantwortlich betreiben sollen. Zur Ergänzung:
„Hintergrunddienst“ leistet ein erfahrener Facharzt,der innerhalb der gebotenen Hilfsfrist die Notaufnahme erreicht und den diensthabenden Arzt gegebenfalls dort unterstützt).
Die KNO-AG will die Bevölkerung über alles informieren.
Man wird sehen …
Zu guter Letzt möchte ich an eines der wichtigsten; unbezahlbaren Bedürfnisse jedes kranken Menschen erinnern:die menschliche Zuwendung und Begleitung in der Not.
Diese Menschlichkeit vermisse ich bei allen „Umstrukturierungsmaßnahmen“ am meisten.
Dr. Christine Scudieri
von Dr. med. Christine Scudieri, Tirschenreuth
Sehr treffend geschrieben.